Unser tägliches Brot ist in Verruf geraten! Sind ATI schuld? Neues über Glutensensitivität

Unser tägliches Brot soll uns fett, dumm und krank machen. Angesichts der Vielzahl zum Teil recht irrer Publikationen herrscht bei Verbrauchern und Therapeuten allgemeine Orientierungslosigkeit. Wer Weizen aus unterschiedlichen Gründen nicht verträgt, hat oft eine lange Odyssee an Arztbesuchen hinter sich. Denn sobald sich weder Zöliakie noch klassische Weizenallergien hinter den Symptomen verstecken, werden Betroffene häufig als eingebildete Kranke abgetan. Obwohl man zugeben muss: Angesichts einer Glutenphobie ist es durchaus vorstellbar, dass Reizdarmpatienten ihre Beschwerden irrtümlich so deuten und Nocebo-Effekte erleben. Der Nocebo-Effekt entfaltet seine Wirkung, wenn der Patient davon überzeugt ist, dass bestimmte Nahrungsmittel sich schädlich auf die Gesundheit auswirken. Als Folge davon wird er tatsächlich krank.

In dem neu erschienenen wissenschaftlich fundierten Buch Tägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATI räumen der Wissenschaftler und Arzt Professor Dr. Detlef Schuppan und seine Koautorin Dr. Kristin Gisbert-Schuppan mit Pseudobehauptungen rund um das Thema Weizenunverträglichkeiten auf und stellen zwei neue Krankheitsbilder vor:
die Amylase-Trypsin-Inhibitoren-Sensitivität (= ATI-Sensitivität) und die atypische Weizenallergie.

Für die Feststellung der ATI-Sensitivität gibt es übrigens noch keinen Labortest, auch wenn manche Labore das natürlich schon wieder behaupten.

Jenseits von Hysterie und Modewellen wird in diesem Buch aufgezeigt, wie sich das tägliche Brot medizinisch auswirken kann, und welche Maßnahmen eine Vielzahl zuvor unerklärter Symptome und Krankheiten verbessern können. Dabei geht es - wie sollte es anders sein - um die Wechselwirkungen zwischen dem darmassoziierten Immunsystem und einzelnen Bestandteilen des Weizens, die zu den verschiedenen Krankheitsbildern führen.
Im Mittelpunkt steht dabei die ATI-Sensitivität, die nachgewiesenermaßen Autoimmunkrankheiten wie Rheuma und MS oder Stoffwechselstörungen und Diabetes Typ 2 verstärkt sowie generelle Symptome im Zusammenhang mit Weizen, wie chronische Erschöpfung, Muskel- und Gelenkbeschwerden, hervorrufen kann.
Während sich die Symptomatik der klassischen Glutensensitivität eher im Bauchbereich abspielt, geht demnach die symptomatische Wirkung der ATI über den Magen-Darm-Trakt hinaus.
Die atypische Weizenallergie (gekennzeichnet durch ein normwertiges Immunglobulin E und keine allergietypische Sofortreaktion) kann dagegen in vielen Fällen eine Reizdarmsymptomatik erklären.
Allein von diesen beiden Krankheitsbildern könnten 3 - 10 % der Bevölkerung betroffen sein.

Was sind Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI)?
Proteine verschiedener glutenhaltiger Getreidesorten, insbesondere Weizen. Sie dienen u. a. der Hemmung der Proteolyse (Abbau von Eiweißmolekülen) und stehen in Verdacht, eine Rolle bei der Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität zu spielen.
Die ATI hemmen die Verdauungsenzyme alpha-Amylase und Trypsin und sind schwer verdaulich. Sie stimulieren dosisabhängig die Freisetzung entzündungsfördernder Botenstoffe und so das unspezifische (angeborene) Immunsystem. Sie verursachen nicht nur Darmbeschwerden, sondern auch Benommenheit, Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautveränderungen und depressive Verstimmungen und sind als Auslöser für Weizenallergien bekannt.

Patienten, die den Eindruck haben, glutenhaltige Nahrungsmittel nicht zu vertragen, empfehlen wir zunächst eine gründliche Diagnostik, um eine Zöliakie, eine echte Allergie oder sonstige Erkrankungen als Verursacher ihrer Beschwerden auszuschließen.

Analyseempfehlung:
BIO-LABOR Basisuntersuchung zum Ausschluss entzündlicher Belastungen, Folgen gastrointestinaler Resorptionsschwächen und Fehlbesaftungen des Darmtrakts infolge Leber-Galle-Pankreas-Dysfunktion
Nahrungsmittelintoleranz-Modul zur differenzialdiagnostischen Unterscheidung: Echte IgE-vermittelte Typ 1-Allergie - Chronische Schleimhautschwäche - Enterale Histaminose
Zöliakie-Diagnostik (Transglutaminase-AK und Gliadin IgG-/IgA-AK)

Weitere Analysemethoden zur Erhöhung von Diagnose- und Therapiesicherheit:
Stuhl-Untersuchungsprofil 6 (STP6) - enthält Pilzdiagnostik/Dysbiose, Alpha-1-Antitrypsin, Sekretorisches IgA, Beta-Defensin und Anti-Gliadin-AK.

Der nächste Schritt wäre die Empfehlung einer glutenfreien, zumindest stark glutenreduzierten Diät.
Alle glutenhaltigen Getreidesorten enthalten ATI, die modernen Getreidesorten aber größere Mengen als ältere Sorten. In ganz alten Weizensorten findet man nur ca. 20 % ATI als im „modernen“ Weizen. Bei der Ursorte des Weizens, dem Einkorn, gibt es sogar Sorten, die überhaupt keine ATI enthalten. Dinkel enthält ca. 50 %, Emmer enthält 25 - 35 % ATI des heutigen Weizens.
Bedenken Sie dabei auch, dass Brot heute meist nicht mehr traditionell (z. B. mit langer Teigführung) hergestellt wird, sondern unter Zuhilfenahme von Enzymen und anderen Zusatzstoffen. Die Verträglichkeit solch moderner Brote ist für Darm-Patienten schon schwierig und kann für die ATI-Sensitivität eine besondere Rolle spielen.

Großbäckereien, Bäckereiketten, ALDI, Lidl und Co. stellen diese modernen Brote und Backwaren mit kurzer Teigführung und viel Chemie her. Meiden Sie diese Läden und Supermärkte und gehen Sie auf die Suche nach kleinen alteingesessenen Bäckereien, in der die Brote noch wie vor 50 Jahren gebacken werden. Die meisten sind zwar von den großen in die Pleite getrieben worden, aber einige gibt es noch. Z. B. die Bäckerei von Heinrich König in der Achternbergstr. 42, 45884 Gelsenkirchen-Rotthausen. Für weitere Informationen bitte hier klicken. Dort werden ausschließlich Sauerteigbrote mit langer Teigführung gebacken, die Sie im Unterschied zu Broten der Bäckereiketten gut vertragen werden.

Verbessern sich die Symptome unter der Diät kann man dem Patienten nur empfehlen, sich weiterhin glutenarm bzw. glutenfrei zu ernähren. Wahrscheinlich ist lediglich eine Elimination offensichtlich glutenhaltiger Nahrungsmittel notwendig, nicht aber die strikt glutenfreie Diät von Zöliakiepatienten oder Weizenallergikern.

Auszuschließen ist nicht, dass bei einer Verbesserung der Darmschleimhautfunktionalität auch die ATI-Sensitivität wieder verschwindet oder zumindest reduziert wird.

Studie der Universität Hohenheim: Der Anteil an belastenden FODMAP-Zuckerstoffen ist keine Frage der verarbeiteten Getreidesorte, sondern der Teigführung. Belastende FODMAP-Zuckerstoffe werden über die Teigruhezeiten verringert.
Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass nicht die Getreidesorte entscheidend ist, also egal, ob alte Getreidesorten wie Einkorn, Emmer, Dinkel und Durum oder normales Brotweizen verbacken werden, entscheidend ist vor allem die Art der „Teigbereitung“.
Siehe: http://www.baecker-hunn.de/downloads/studie_der_universitaet_hohenheim.pdf