Zum Verständnis
Es geht hier um die orthomolekulare Medizin, eine maßgeblich von Linus Pauling beeinflusste alternativmedizinische Methode, für die es bisher keinen Wirksamkeitsnachweis gibt. Im Mittelpunkt steht die teilweise hochdosierte Verabreichung von synthetisch hergestellten Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zur Vermeidung und Behandlung von Krankheiten.
Die orthomolekulare Medizin ist eine alternativmedizinische Richtung innerhalb der symptomatisch agierenden Schulmedizin!
Sie gehört keinesfalls zur Naturheilkunde, die den Ursachen einer Krankheit auf den Grund geht!
Die orthomolekulare Medizin substituiert bei Mangelzuständen synthetische Vitalstoffe. Diese werden ausschließlich von Chemie-Großkonzernen produziert: Zink von Alfa Aesar, Pyridoxin (Vitamin B6) von Atlantic Chemicals, Cholecalciferol (Vitamin D) von Merck und BASF, Ascorbinsäure (Vitamin C) von Merck und in China, Selen (ein Industrieabfall) von Cofermin Chemicals.
Andere (angeblich "biologische") Firmen kaufen in Megagebinden die Rohstoffe dort ein, verpacken und bewerben sie als naturheilkundliche Therapeutika - mit 1000 %igen Aufschlägen. Ein einträgliches Geschäft: Der Markt der Nahrungsergänzungsmittel boomt.
2015 gaben die Bundesbürger 1,1 Milliarden € für Vitamine, Mineralien und Spurenelemente aus.
Das sind 9 % mehr als 2014. Zum Vergleich: Für pflanzliche Arzneimittel wurden im gleichen Zeitraum knapp 1,6 Milliarden € ausgegeben (+ 5,9 %).
Führende Produktkategorien im Nahrungsergänzungsmittelgeschäft sind Magnesium- (209,3 Mio. €), Calcium- (103,4 Mio. €) und Eisenpräparate (86,3 Mio. €). Die stärksten Zuwächse allerdings verbuchten mit Raten von über 20 % die Vitamine A und B sowie Cholecalciferol (so genanntes Vitamin D).
Nahrungsergänzungsmittel nutzen m. E. nur den Herstellern. Das Problem: Sie fallen nicht unter das Arzneimittel-, sondern unter das Lebensmittelgesetz, und sind somit keinen strengen Regulierungen unterworfen. Verbraucherschützer warnen, dass Nahrungsergänzungsmittel häufig überdosiert werden und gesundheitsschädlich sein können. Auch bezweifelt die Forschung, dass z. B. synthetische Vitamine die gleichen Wirkungen im Organismus haben wie die im natürlichen Verbund mit der Nahrung zugeführten. Zu bedenken ist auch, dass die häufigste Ursache von Mangelzuständen und antagonistischen Intoxikationen eine gastrointestinale Resorptionsschwäche bzw. eine immunologische Insuffizienz der Darmschleimhaut ist, somit auch die zugeführten Pillen nicht besser als die Nahrung verwertet werden.
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Zu viel Selen macht Haarausfall und brüchige Nägel
Vitamin D3-Substitution - kontrovers diskutiert
Diagnose AD(H)S und Kryptopyrrolurie In diesem Artikel geht es um ein Thema, welches von dubiosen KPU-HPU-Selbsthilfegruppen im Internet, hinter denen sich Vermarktungsstrategen der orthomolekularen Medizin (Vitamin B6, Zink) verstecken, angeheizt wird.
Millionen Deutsche schlucken Vitaminpräparate im Glauben, ihre Gesundheit zu verbessern.
Dabei zeigen Studien das Gegenteil: Die meisten Pillen sind nutzlos, einige sogar schädlich.
Vitamine braucht der Mensch, um gesund zu bleiben. Aufnehmen muss man sie mit der Nahrung. Es kann zwar sein, dass man sich nicht ausgewogen ernährt und jedes Vitamin in ausreichender Menge konsumiert; die Idee, Vitamine oder andere Vitalstoffe als Pille oder Kapsel zusätzlich zuzuführen, ist dennoch falsch. Die landläufige Meinung, überschüssige Vitamine scheidet der Körper wieder aus, ist genauso falsch wie die Annahme, überschüssigen Alkohol scheidet der Körper wieder aus.
Beispiele
Auch wenn die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu Vitamin D3-Präparaten rät und die Referenzwerte hoch gesetzt hat, glaube ich, dass das der letzte Vitaminhype sein wird. Es würde mich nicht wundern, wenn sich auch bei Vitamin D herausstellen würde, dass es in Pillenform nichts bringt. Die Studienlage zu Vitamin D ist nicht besonders gut, und die wenigen Studien, die es gibt, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie stellen Assoziationen, aber keine Kausalität her. Ein hoher Vitamin D-Spiegel ist eher ein Marker für eine bewegungsreiche und damit gesunde Lebensweise, ein niedriger Vitamin D-Spiegel also die Folge und nicht die Ursache einer schlechten Gesundheit. Deshalb ist Gesundheit mit Vitamin D-Substitution auch nicht zu erzielen!
Der Zusammenhang ist ganz einfach: Da Vitamin D3 mittels Sonnenlicht in der Haut aus körpereigenen Cholesterin gebildet wird, kann man davon ausgehen, dass sich Menschen mit hohem Vitamin D3-Spiegel vermehrt im Freien aufhalten, mehr Sport treiben und insgesamt gesundheits- und ernährungsbewusster sind - wahrscheinlich der einzige Grund, warum sie weniger Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes, Autoimmunerkrankungen, Prostatakrebs oder Atemwegsinfekte haben. Wenngleich in den Wintermonaten durchschnittlich wesentlich niedrigere Serum-Cholecalciferol-Konzentrationen gemessen werden als in den Sommermonaten: Woher wollen wir wissen, ob nicht im Sommer zelluläre Vorratsspeicher für den Winter angelegt werden? Eine Messmethode steht nicht zur Verfügung!
Es ist bekannt, dass in der Politik, aber auch in der Werbung zur Vermarktung von Arzneimitteln, mit statistischen Tricks gearbeitet wird. Wir kennen "Scheinursachen" und "Scheinzusammenhänge": Im Norden Europas sind die Menschen größer als im Süden – Im Norden Europas leben mehr Protestanten als Katholiken. Also: Protestantismus fördert das Wachstum. Oder: In Deutschland leben immer weniger Klapperstörche – In Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. Der Unsinn ist offensichtlich. In der Medizin fällt der Betrug oft nicht auf. Mit Statistik lässt sich also beweisen, was bewiesen werden soll. Ich muss nur wissen, zu welchem Ergebnis sie führen soll.
Der Nutzen einer simplen Serum-Mineralanalyse ist viel größer als die Analyse des Vitamin D3-Spiegels. Z. B. kann ein erniedrigtes Natrium eine lebensbedrohende Hyperhydratation bei Nierenversagen und akutem Herzinfarkt oder ein erhöhtes Kalium eine lebensbedrohende Azidose anzeigen, und der Erfolg einer diesbezüglichen Therapie ist sofort spürbar. Die künstliche Beseitigung eines Vitamin D-Mangels dagegen spürt kein Mensch.
Ein erschreckendes Ergebnis brachte eine große Studie, die 1994 veröffentlicht wurde. Sie sollte klären, ob die Einnahme von Vitamin E und beta-Carotin (Vorstufe des Vitamin A) Raucher vor Lungenkrebs schützt. 30000 finnische Männer, allesamt Raucher zwischen 50 und 69 Jahre, schluckten täglich Vitamin E, beta-Carotin, beide Vitamine oder ein Placebo. Die Studie musste abgebrochen werden, weil die Mortalitätsrate stieg: Die Gesamtsterblichkeit war in der Vitamin E-Gruppe um 2 % erhöht, bei den beta-Carotin-Probanden sogar um 8 %.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine in den USA durchgeführte Studie mit Rauchern und Arbeitern, die mit Asbest in Kontakt gekommen waren. Die Forscher mussten die Untersuchung frühzeitig abbrechen, weil die Einnahme von beta-Carotin und Retinol (Vitamin A) die Sterblichkeit und die Raten an Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gegenüber der Placebo-Gruppe erhöhte.
In einer anderen Studie ging es um die Einnahme von Vitamin E und Selen bei Prostatakrebs: Gegenüber der Placebogruppe erkrankten seit Studienbeginn 17 % mehr.
Mit Multivitaminpräparaten und Kalzium sieht es ähnlich aus.
Lesenswert ist ein Artikel der Wissenschaftsjournalistin Jana Schlütter: Wenn Vitamine Tumore wachsen lassen Multivitamincocktails sollen die Zellen unter anderem gegen Krebs wappnen. Eine Studie, die im Fachblatt Science Translational Medicine erschien, zeigt jedoch die Kehrseite der Medaille: Wer bereits Krebsvorstufen in sich trägt, hilft damit möglicherweise den Tumorzellen!
Lesenswert auch ein Artikel im FOCUS Magazin Nr. 14/2015: Das Vitamin-Märchen - Millionen Deutsche nehmen Tabletten mit Antioxidantien. Das schadet der Gesundheit mehr, als es nutzt. Forscher zweifeln an der Richtigkeit der Antioxidantientheorie.
… und der SPIEGEL ONLINE-Artikel vom 16.08.2015: Gefährliche Alternativmedizin: Mit Aprikosenkernen gegen den Krebs
Resümee
Scheinbar harmlose, aber biologisch hoch aktive Substanzen wie Vitamine können Schaden anrichten!
Z. B. in der Krebstherapie: Der Energieverbrauch insbesondere an Vitaminen und Mikronährstoffen der Krebszelle ist ca. 20-mal höher als der gesunder Zellen. Deswegen ernähren Vitamincocktails vordergründig die Tumorzellen. Zellen, die darauf programmiert sind, sich rasch zu vermehren, haben z. B. einen hohen Bedarf an Vitamin B12. Stellt sich also die Frage: Fördert eine Substitution mit B-Vitaminen das Krebswachstum? Diese und ähnliche Fragen sind nicht eindeutig geklärt. Vitamin C scheint die einzige Ausnahme zu sein, ist aber auch umstritten.
Alte Krebsheilärzte wie Dr. Issels und Dr. Neunhoeffer wussten, dass der Krebs eher aushungert als die gesunde Zelle, weswegen sie Fastenkuren und Rohkostdiäten verordneten. Sie haben ihre von der Schulmedizin aufgegebenen Patienten bis zu sieben Wochen fasten lassen: nur klares Wasser trinken und jeden Tag zwanzig Kilometer wandern. Danach nur Rohkost. Folge: abgemagert, aber der Krebs war weg. Erfolgsrate: 97 %.
Medizinjournalisten, die lediglich Fälle miteinander verglichen und statistisches Material ausgewertet haben, kamen zu dem Ergebnis: Krebspatienten, die sich nach einer Operation und Chemotherapie in die Hände von Therapeuten begaben, die "Aufbau"-Therapien mit Vitalstoffen - also Substitutionstherapien mit Vitaminen und Mikronährstoffen - durchführten, hatten durchweg eine geringere Lebenserwartung als die Vergleichsgruppe.
Vitaminpillen können den Effekt einer gesunden Ernährung mit viel Obst und Gemüse nicht verstärken oder ersetzen. Unterm Strich bleibt eine Empfehlung, der kein Mediziner widersprechen wird: Ausgewogen zu essen ist bei Mangelzuständen die naturheilkundliche Konsequenz.
Es gibt natürlich Ausnahmen: Der therapeutische Einsatz bei bestimmten Krankheiten. Beispiele: Vitamin C beim akuten Infekt oder bei Krebspatienten als Antioxidans zur Beschleunigung des Zelltrümmerabbaus nach Chemotherapie, Vitamin B 12 bei der Perniziösen Anämie.
Unter naturheilkundlich orientierten und ganzheitlich denkenden Therapeuten dominiert - Gott sei Dank! - die Meinung, in komplexe glanduläre Systeme allenfalls homöopathisch korrigierend, jedoch nie supplementierend eingreifen zu dürfen.
Sinn einer Biologischen Ganzheitstherapie kann und darf nicht sein, fehlende Nährstoffe zu substituieren, sondern den Organismus wieder zu befähigen, diese "ganz von selbst" aus der Nahrung, die natürlich "artgerecht" sein muss, zu verwerten.
Sinn einer Biologischen Ganzheitstherapie kann und darf auch nicht sein, fehlende Hormone oder Verdauungsenzyme zu substituieren, sondern den Organismus zu befähigen, diese selber zu bilden.
Zudem sollte ein leidender Patient nicht vergessen, dass trotz einiger Entgleisungen in der Eigenregulation als Ausdruck seiner Krankheit in jeder Sekunde Tausende verschiedenster enzymatischer, hormoneller, vegetativer und sensorischer Mechanismen im Zusammenspiel zwischen den Zellen "wie von selbst" richtig ablaufen. In Anbetracht dieser Tatsache ist der Ruf nach einer Manipulation durch chemisch-künstliche Fremdregulation vielfach übertrieben. Es ist nämlich möglich, diese im Verhältnis zum funktionierenden Ganzen gering anmutenden Entgleisungen unter Ausnutzung und Anwendung des naturheilkundlichen Wissens zu korrigieren im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe!
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