Kryptopyrrol: Ein neuer Wert für Mütter, die meinen, nichts dazu zu können, und die Probleme auf die körperliche Ebene verlagern möchten?
Die Ursachen von AD(H)S liegen nach wie vor zu über 90 % im psychosozialen Umfeld des Kindes.
Bewegungsunruhe, vermehrte Reizbarkeit und hohe Ablenkbarkeit durch verminderte Frustrationstoleranz sind die häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Die moderne Diagnosebezeichnung ist Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung oder -Syndrom = ADHS, wenn die Hyperaktivität als Symptom fehlt = ADS.
In den letzten 30 Jahren wurden als alleinige Ursachen von AD(H)S Erziehungsfehler, Elternproblematik, Vernachlässigung und frühkindliche Traumata angenommen und die Störungen grundsätzlich als soziales und pädagogisches Problem angesehen, was verständlich erschien, denn die Zeiten haben sich geändert: Früher sind die Kinder zu Fuß zur Schule gegangen - heute werden sie mit dem Geländewagen bis vor die Tafel gefahren. Früher bekamen die Kinder ein vollwertiges Mittagessen vorgesetzt - heute ernähren sie sich von Fast Food. Früher haben die Kinder nach den Hausaufgaben stundenlang draußen gespielt - heute beschränken sich soziale Kontakte auf Smartphone und Computerspiele.
Elementare Erfahrungen, auf denen die weitere Entwicklung aufbaut, wie in Pfützen planschen, auf Bäume klettern, sich in Wäldern und Höhlen verstecken, über Zäune springen, in der Erde tiefe Höhlen ausbuddeln, mit Obstkernen weitspucken, in Brombeersträuchern eigene Buden bauen, nachts mit Freunden im Zelt schlafen, unreife Äpfel essen, Klingelstreiche unternehmen und weglaufen, Grimassen ziehen und die Hosentaschen voller Schätze haben, sind nicht nachholbar. Basteln und Blätter ausmalen hingegen kann man im Altenheim immer noch. (Armin Krenz)
Nach vorsichtigen Schätzungen liegen die Ursachen von AD(H)S zwar nach wie vor zu über 90 % im psychosozialen Umfeld des Kindes. Nach meinen Beobachtungen haben AD(H)S-Kinder jedoch häufig auch eine Krankenvorgeschichte, in der negative Auswirkungen von überflüssigen Impfungen, übertriebenen antibiotischen Therapien und falscher Ernährung (Mangel an Vitalstoffen) auf die körperliche und geistige Entwicklung, insbesondere auf das Immunsystem und auf die physiologische Darmflora, eine Rolle spielen.
In den letzten Jahren diskutiert die orthomolekulare Medizin, dass Verursacher von AD(H)S auch eine Kryptopyrrolurie (erhöhte Kryptopyrrolausscheidung im Urin) sein kann. Aber in nur 5 % der Fälle könnte tatsächlich die Kryptopyrrolurie eine Rolle spielen!
Der Begriff Kryptopyrrolurie bezeichnet eine bezüglich Ursachen und klinischer Bedeutung kontrovers diskutierte Stoffwechselstörung, von der nach einigen Schätzungen angeblich etwa 5 - 10 % der Menschen betroffen sind. Kryptopyrrol entsteht angeblich durch eine fehlerhafte Hämoglobinsynthese. Hierbei bildet sich zusammen mit Vitamin B6 und Zink ein wasserlöslicher, nierengängiger Komplex, was zu einem Zink- und Vitamin B6-Defizit führten kann. Sogar Quecksilber- und Schwermetallvergiftungen werden als Verursacher bemüht! Klinisch kann es angeblich bei erhöhten Kryptopyrrolwerten zu einem ADHS, nervöser Erschöpfung, vegetativer Dystonie, Angstzuständen, Depressionen, schizophrenen Psychosen, Müdigkeit, Rücken- und Gelenkschmerzen, Appetitlosigkeit und fehlender Traumerinnerung kommen.
Die Betonung liegt auf "angeblich" und auf "kann". Ganzheitsdiagnostische bzw. naturheilkundliche Aspekte und die Frage, ob zur Entwicklung von AD(H)S nicht Probleme im psychosozialen Umfeld des Kindes eine sehr viel größere Rolle spielen, werden ausgeklammert.
Manchmal kommt es mir so vor: Kryptopyrrol ist ein neuer Wert für Mütter, die meinen, nichts dazu zu können, und die Probleme auf die körperliche Ebene verlagern möchten. Weil das einfacher ist, als sich der Verantwortung zu stellen!
Angeheizt wird dieses Thema von dubiosen KPU-HPU-Selbsthilfegruppen im Internet, hinter denen sich Vermarktungsstrategen der orthomolekularen Medizin verstecken.
Zur Erläuterung
Die orthomolekulare Medizin ist eine alternativmedizinische Richtung innerhalb der symptomatisch agierenden Schulmedizin; sie gehört keinesfalls zur Naturheilkunde, die den Ursachen einer Krankheit auf den Grund geht! Die orthomolekulare Medizin substituiert bei Mangelzuständen synthetische Vitalstoffe. Diese werden ausschließlich von Chemie-Großkonzernen produziert: Zink von Alfa Aesar, Pyridoxin (Vitamin B6) von Atlantic Chemicals, Cholecalciferol (Vitamin D) von Merck und BASF, Ascorbinsäure (Vitamin C) von Merck und in China, Selen (ein Industrieabfall) von Cofermin Chemicals. Andere - angeblich "biologische" - Firmen kaufen in Megagebinden die Rohstoffe dort ein, verpacken und bewerben sie als naturheilkundliche Therapeutika - mit 1000 %igen Aufschlägen. Nahrungsergänzungsmittel nutzen m. E. nur den Herstellern. Das Problem: sie fallen nicht unter das Arzneimittel-, sondern unter das Lebensmittelgesetz, und sind somit keinen strengen Regulierungen unterworfen. Verbraucherschützer warnen, dass Nahrungsergänzungsmittel häufig überdosiert werden und gesundheitsschädlich sein können. Auch bezweifelt die Forschung, dass z. B. synthetische Vitamine die gleichen Wirkungen im Organismus haben wie die im natürlichen Verbund mit der Nahrung zugeführten. Zu bedenken ist auch, dass die häufigste Ursache von Mangelzuständen und antagonistischen Intoxikationen eine gastrointestinale Resorptionsschwäche bzw. eine immunologische Insuffizienz der Darmschleimhaut ist, somit auch die zugeführten Pillen nicht besser als die Nahrung verwertet werden.
Die Wissenschaft bezieht klar Stellung
Die Kryptopyrrolurie ist ein von der orthomolekularen Medizin erfundenes Syndrom, deren Krankheitswert nicht allgemein anerkannt ist. Es handelt sich dabei angeblich um eine genetisch bedingte Stoffwechselstörung, die durch die Ausscheidung von Pyrrolen im Urin zu einem Mangel insbesondere von Vitamin B6 und Zink führt, was sich allerdings nicht im Blut nachweisen lässt. Das Krankheitsbild und die Wirksamkeit von entsprechenden Therapien konnten in unabhängigen klinischen Studien bislang nicht nachgewiesen werden. Manche Anhänger der orthomolekularen Medizin behaupten, dass diagnostische Schwierigkeiten bei der Analyse des Urins dazu geführt hätten, dass dieses Syndrom in Studien bislang nicht belegbar wurde, haben aber keine Studien mit gegenläufigen Ergebnissen präsentiert.
Weder für die chemische Identität des Kryptopyrrol-Komplexes noch für eine Assoziation mit spezifischen Symptomen wurden wissenschaftlich fundierte Belege präsentiert. Es werden beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft Untersuchungen zur Diagnose der Pyrrolurie nicht empfohlen (Prof. Dr. H. Przyrembel, Prof. Dr. M. Schwenk). Laut arznei-telegramm 2012 vom 12.10.2012 (a-t 2012; 43: 87) "entbehrt eine auf die erhöhte Ausscheidung von Pyrrolen im Urin aufbauende Diagnose oder gar Therapie jeder wissenschaftlichen Grundlage."
Die Diagnose erfolgt mittels Kryptopyrrol-Bestimmung aus dem Urin. Benötigt wird ein Testkit-Kryptopyrrol. Kryptopyrrolwert unter 5,0 mg/g Krea bedeutet: Eine Kryptopyrrolurie scheint wenig wahrscheinlich. Kryptopyrrolwerte zwischen 5,0 und 6,0 stellen einen Graubereich dar. Werte über 6,0 sind Hinweis auf eine Kryptopyrrolurie.
Die Höhe des gemessenen Kryptopyrrols korreliert jedoch nicht tatsächlich mit der Schwere des Krankheitsbildes. Z. B. wurden bei Kindern mit AD(H)S-Symptomatik im Vergleich zu verhaltensunauffälligen Kindern nur unwesentlich häufiger erhöhte Werte gemessen.
Bei positivem Ergebnis empfiehlt die orthomolekulare Medizin eine Substitution von Vitamin B6 und Zink. Anwendungsbeobachtungen ergaben jedoch, dass eine Therapie mit z. B. Kryptosan oder Depyrrol in nur ca. 20 % der Fälle mit festgestellter Kryptopyrrolurie und AD(H)S-Symptomatik zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes führte. Nach medizinisch-statistischen Grundsätzen bedeutet das jedoch: keine Wirkung - denn 20 % schafft auch jedes Placebo!
Selbst wenn durch eine Substitutionstherapie eine kurzfristige symptomatische Besserung erreicht wird, wäre es sehr viel sinnvoller, eine Ursachenforschung in Richtung ernährungsbedingter Mangelzustände, allgemeiner gastrointestinaler Resorptionsstörung und immunologischer Insuffizienz der Darmmukosa zu betreiben:
- Bestimmung von Vitamin B6 und Zink, denn die Höhe der Supplementierung richtet sich nach der Höhe der gemessenen Werte
- Blutbildkontrolle des Nieren- und Mineralstoffwechsels
- Insbesondere bei Erwachsenen Überprüfung der hormonellen Situation (Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse?, Störungen der Nebennierenrinden-Funktionalität?)
- Bei Verdacht auf eine Autoimmunthyreopathie (Hashimoto) und grundsätzlich bei TSH-Werten über 2: Bestimmung der Autoimmunmarker Thyreoidea-Peroxidase-Auto-AK (TPO-AK) und Thyreoidale Antikörper (TAK)
- Grundsätzlich zur Recherche der Ursachen von Vitamin- und Mineralmangelzuständen bzw. zum Ausschluss von gastrointestinalen Resorptionsstörungen und immunologischen Schwächen der Darmmukosa eine Stuhlanalyse: Pilzdiagnostik/Dysbiose und Pilztypisierung sowie Aktivitätsmarker der Darmmukosa (Alpha-1-Antitrypsin und Sekretorisches IgA, bei Verdacht auf Leaky-Gut-Syndrom auch Beta-Defensin, bei V. a. auf glutensensitive Enteropathie auch Anti-Gliadin-AK)
- Bei zu niedrigen Aktivitätsmarkern besteht zudem der Verdacht auf pseudoallergische Prozesse, weswegen eine zusätzliche Serum-Analyse der Immunglobuline A und E und des körpereigenen Antihistaminikums Diaminooxidase (DAO) angezeigt ist.
In diesem Zusammenhang sei auf die Spätfolgen der schulmedizinischen Behandlung mit Ritalin hingewiesen
Bei Kindern und jungen Erwachsenen bis zum etwa 30. Lebensjahr ist der präfrontale Cortex noch nicht gänzlich entwickelt. Bis zur völligen Ausreifung ist dieses Hirnareal besonders empfindlich gegenüber Schwankungen bestimmter Metaboliten wie Dopamin oder Norepinephrin. Veränderte Konzentrationen dieser wichtigen Neurotransmitter können die Ausreifung des präfrontalen Cortex stören und für bleibende Verhaltensänderungen sorgen.
In Versuchen an Jungratten sehen die Forscher ihre Vermutungen bestätigt: Verabreichten sie den Tieren niedrige Dosen des Ritalin-Wirkstoffs, war die Erregbarkeit der Neuronen im präfrontalen Cortex erniedrigt. Metaboliten, die Gefühle und Verhalten prägen, wurden dadurch in anderem Maße ausgeschüttet als ohne Methylphenidat (Ritalin).
Ritalin könnte bei Kindern fatale Folgen haben. Zunächst werde sich höchstwahrscheinlich eine Verbesserung des Zustandes einstellen. Die Kinder könnten dem Lehrer besser folgen, ihre Hyperaktivität werde gebremst und ihre Lernerfolge verbesserten sich.
Langfristig beeinträchtigt Ritalin jedoch das Arbeitsgedächtnis und die Flexibilität des Verhaltens dieser Kinder erheblich und - ganz fatal - mit wahrscheinlich lebenslangen Folgen.
Denn diese Fähigkeiten sind selbst bei alltäglichen Aktivitäten wie beim Autofahren und beim sozialen Umgang mit Mitmenschen unerlässlich.
Hier finden Sie den vollständige Artikel "Methylphenidat: Chaos im Cortex“
Hier finden Sie Veröffentlichungen von Prof. Dr. Gerald Hüther zum Thema AD(H)S
ADHS: Erst Ritalin, dann Antidepressiva?
Der Zusammenhang zwischen Depressionen und ADHS wird schon lange erforscht. In einer Studie geht es um folgende Frage: Ist bei Menschen, die als Kind Ritalin einnehmen, die Wahrscheinlichkeit höher, später Antidepressiva zu erhalten? Eltern, Ärzten und Lehrern sollte bewusst sein, dass die längere Einnahme von Medikamenten auf Basis von Methylphenidat (Ritalin) ein Indikator für den späteren Einsatz von Antidepressiva sein kann. mehr...
Stand: 08.05.2019
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